Am
9. November 2013 jährt sich die sogenannte Kistallnacht, das
Judenprogrom von 1938, zum 75. mal.
Das
hebt diesen Tag der Erinnerung und Mahnung deutlich aus der Reihe der
bisherigen Gedenktage heraus. Aber, dieser Tag ist nicht nur
Gedenktag, sondern auch Mahnung für Gegenwart und Zukunft. Eine
Mahnung, der Toleranz und gegenseitigen Achtung innerhalb unserer
Gesellschaft einen hohen Stellenwert einzuräumen.
Die
Ausstellung soll daher nicht nur aufzeigen, wie sich in der
Vergangenheit die latente Ablehnung einer Bevölkerungsgruppe
immer weiter steigerte und schließlich im Völkermord
mündete, sondern durch den Verlauf der seinerzeitigen
Entwicklung bewusst werden lassen, dass eine solche Gefahr immer
besteht, wenn die Gesellschaft einer solchen Entwicklung nicht
wachsam entgegensteht und den Anfängen wehrt.
Ausgangspunkt
der Ausstellung ist die Zeit der industriellen Revolution zum Ende
des 19. Jahrhunderts. Antisemitismus war zu diesem Zeitpunkt nicht
ungewöhnlich. Aber in dieser Epoche, in die am 20. April 1889
Adolf Hitler geboren hineingeboren wurde, wurde er
Programmpunkt politischer Parteien und Thema pseudowissenschaftlicher
Forschungen und Publikationen.
Nach
seiner Machtübernahme im Januar 1933 betonte Adolf Hitler immer
wieder seine Belesenheit und führte als prägende Bücher
die Werke des deutschnationalen und antisemitischen Georg
Ritter von Schönerer (1842-1921), des antisemitischen
Rassenforschers Gunnar Dahlberg (1893 - 1956) und die
antisemitische Geschichtsbände 'Die Grundlagen des 19.
Jahrhunderts.' (Erstausgabe
1998) von Huston Stewart
Chamberlain (1816 - 1882) an.
Letzterer
beschrieb auf hunderten von Seiten seines 'Geschichtswerkes' den
vorgeblich schlechten Charakter der jüdischen Rasse und
erklärte damit viele negative historische Entwicklungen.
Gunnar
Dahlberg griff die Mendelschen Erbgesetze auf und übertrug sie
auf den Menschen und dabei ausdrücklich auf deren Charakter.
Georg
Ritter von Schönerer befürwortete neben dem Anschluss
Österreichs an Deutschland den Ausschluss
jüdischer Bürger aus dem öffentlichen Leben und einen
Alldeutschen Staat, einen gemeinsamen Staat aller deutschsprachigen
'Arier'..
Insbesondere
aus diesen drei antisemitischen Weltanschauungen entwickelte Alfred
Rosenberg (1893 - 1946) ein Weltbild, dessen Kern darin bestand,
dass die jüdische Rasse von dauerhaft schlechtem Charakter und
schädlich für eine Volksgemeinschaft sei. Dass sich dieser
Charakter nicht nur innerhalb der jüdischen Rasse ungebrochen
weiter vererbe, sondern
entsprechend der Erbgesetze auch bei Abkömmlingen aus Mischehen
bis wenigstens in die dritte Generation schädlichen
Einfluss habe und daher die Teilhabe jüdischer Bürger am
gesellschaftlichen und kulturellen Leben beschränkt werden
müsse, insbesondere, die Verehelichung mit Bürgern anderer
Rassenzugehörigkeit sollte unterbunden werden.
1918
kam es zum Treffen und Gedankenaustausch Hitlers mit Rosenberg. Im
September 1919 trat Hitler dem im Januar des Jahres in München
gegründeten Ableger der österreichischen 'alldeutschen'
DAP bei, die die Ideologie Ritter Georg von Schönerers vertrat
und zusätzlich die Rücknahme der Gebietsabtretungen des
Versailler Vertrages forderte. In nur wenigen Monaten gelang es Adolf
Hitler, der als 56. Mitglied der DAP beigetreten war, innerhalb der
Partei die Macht an sich zu reißen. Er nannte sie im Februar
1920 in NSDA um. Unmittelbar darauf trat auch Alfred Rosenberg dieser
Partei bei und wurde zum Chefideologen und rassentheoretischen
Berater Hitlers. Ende 1920 legte Hitler den Parteinamen endgültig
mit NSDAP fest. Ihr Parteiprogramm ist national, antisemitisch
und militaristisch. Unabhängig voneinander beschrieben Adolf
Hitler und Adolf Rosenberg in ihren Büchern
'Mein Kampf' (Adolf Hitler 1924) und 'Mythus
des 20. Jahrhunderts' (Rosenberg 1930), was sie darunter
verstanden. Diese beiden Bücher sollten nach Hitlers
Machtergreifung zu den wichtigsten Standardwerken der
nationalsozialistischen Weltanschauung werden, denn zum Unterschied
anderer und früherer antisemitischen Schriftwerke wurde ihr
Inhalt nicht nur Parteiprogramm der NSDAP, sondern durch die
Machtergreifung Hitlers auch Regierungsprogramm.
Unmittelbar
nach Regierungsübernahme begann Adolf Hitler die angekündigten
Maßnahmen umzusetzen. Auch, wenn tödliche Übergriffe
der SA auf Juden strafrechtlich ungeahndet blieben, so war die
physische Vernichtung der Juden noch nicht das Ziel der NSDAP. Ziel
war es vorerst neben der Einführung einer 'Rassentrennung',
jüdische Bürger zu schikanieren, zu entrechten und ihnen
ihre Arbeitsplätze zu Gunsten von arbeitslosen 'Ariern' zu
entreißen. Durch Aberkennung staatsbürgerlicher Rechte und
die Versperrung des Rechtszuganges durch einen unerfüllbaren
Anwaltszwang, sollten sie gezwungen werden, das Deutsche Reich zu
verlassen, möglichst unter Zurücklassen
des überwiegenden Teils ihres erworbenen Vermögens.
Obwohl
nach wie vor die Weimar Verfassung von 1919 gültig war, die
jüdischen Bürgern vergleichbare, allerdings einzuklagende
Rechte bot wie das heutige Grundgesetz, blieb die deutsche
Jurisprudenz völlig untätig, ja sie bestätigt
hochoffiziell, dass das Deutsche Reich unter Adolf Hitler ein
>Rechtsstaat ist und bleibt<.
Dabei nutzte die Justiz den nach der Machtergreifung der
Nationalsozialisten neu eingeführten Gesetzesbegriff des
'Gesunden Volksempfindens', der wesentlich für die Beurteilung
war, ob ein gegen das Strafrecht verstoßendes Handeln
überhaupt und, wenn ja, in welchem Maße strafbar war. Da
mehr als 90% der Bürger die NSDAP gewählt und somit derem
Programm zugestimmt hatte, entsprach somit alles Handeln, das mit den
erklärten Zielen Hitlers und der NSDAP in Einklang zu bringen
war dem 'Gesunden Volksempfinden' und blieb straffrei.
Dem
entgegen führten kleinste Auffälligkeiten oder nur deren
Behauptung bei jüdischen Bürgern zu härtester
Bestrafung, da sich ihr Handeln definitionsgemäß immer
gegen die Volksgemeinschaft richtete.
Eine
Verschärfung erfuhr die Verfolgung der jüdischen Bürger
durch den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich am 13.
März 1938. Nicht nur, dass die österreichische Regierung
unter Dr. Kurt von Schuschnigg ebenfalls stark antisemitisch
eingestellt war, sondern Wien
war auch ein Zentrum des Lebens europäischer Juden. Deutschland
hatte durch die Weigerung Hitlers, die Reparationspflichten
aus dem Versailler Vertrag zu erfüllen, durch die Ausschaltung
der jüdischen Arbeitskräfte aus dem Berufsleben, durch
Straßenbau und militärische Aufrüstung seine
offizielle Arbeitslosigkeit erheblich reduziert (die entlassenen
Juden wurden ja nicht mitgezählt) und einen tragfähigen
Wirtschaftsaufschwung erreicht, der an der Spitze aller europäischen
Länder lag. Die Wirtschaftslage in Österreich hingegen
hatte sich seit Ende des 1. Weltkriegs mehr und mehr verschlechtert.
Das Rechtsvakuum beim Anschluss Österreichs an das Deutsche
Reich bot der österreichischen Bevölkerung nun die
Möglichkeit, ihren jahrzehntelang aufgestauten Antisemitismus
auszuleben. Die Entrechtung und Verfolgung der jüdischen Bürger
erfolgte mit solcher Vehemenz, dass davon ein erheblicher Anschub in
Deutschland ausging.
Vor
allem zeigte sich der Deutschen Reichsregierung erneut, dass die
Justiz entgegen Rechtslage nicht eingriff
Diese
wiederholte Erfahrung bewirkte ein Umdenken in der Reichsregierung.
Baute sie zuvor darauf, jüdischen Bürgern mit Schikanen und
durch Willkür das Leben in Deutschland unerträglich zu
machen, um dadurch ihre Entscheidung zu bewirken, Deutschland zu
verlassen, da nur das die Chance bot, wieder eine angemessene
Lebensqualität und Sicherheit zu erlangen, so wollte man nun die
'Judenfreiheit' im Deutschen Reich mit allen denkbaren Mitteln
erzwingen.
Für
einen offenen Richtungswechsel fehlte nur noch
ein Anlass.
Ein
solcher bot sich am 7. November 1938 durch das Attentat des in Paris
lebenden jüdischen Bürgers Herschel Grynzspan (Herschel
Grünspan). Dieser erschoss aus Protest gegen die Misshandlung
seiner in Deutschland lebenden Eltern den Sekretär der Deutschen
Botschaft von Paris, Ernst vom Rath. Um die politische Dimension
dieses Verbrechens zu erhöhen, beförderte Adolf Hitler
persönlich den Legationssekretär in Angesicht dessen zu
erwartenden Todes um mehrere Stufen zum Gesandtschaftsrat I. Klasse.
Das rein privat motivierte Attentat wurde als jüdische
Verschwörung und Auftrag der 'Weisen von Zion' beschrieben.
Zwei
Tage später, am 9. November 1938 fand in München der seit
der Machtergreifung Hitlers im Rahmen eines hohen Feiertags
eingeführte Vorbeimarsch der SA zu Ehren der beim Novemberputsch
(9. November 1923) gefallenen Nationalsozialisten ('Alten Kämpfer')
statt.
Am
Nachmittag dieses Tages erlag Ernst von Rat den Folgen des Attentats.
Bereits am Nachmittag erhielten Hitler und Goebbels im Münchner
Rathaussaal, in dem Hitler am Abend eine Ansprache halten wollte,
die Nachricht vom Tod des 'Gesandtschaftsrats'.
In
einer inszenierten Situation brachte ein Bote dann allerdings erst
gegen 21.00 Uhr dem mit Goebbels zusammensitzenden Adolf Hitler
offiziell und 'überraschend' den Bericht, dass Ernst vom Rath
verstorben sei. Nach einem Gespräch mit Goebbels verließ
Hitler daraufhin die Versammlung, ohne seine vorbereitete Rede zu
halten. Man kann davon ausgehen, dass er nach Absprache mit Goebbels
entschieden hatte, sich für den Fall, dass die Justiz nicht
weiter untätig blieb, offiziell vor den zu erwartenden Folgen
ihres Plans abzusichern. Um 22.00 Uhr verkündete Josef Goebbels
innerhalb seiner Rede den Tod Ernst von Rats, ging auf das Attentat
von Herschel Grynszpan ein und stellte dieses als Beleg des
'typischen jüdischen Charakters' heraus. Er verwies darauf, dass
der gesunde deutsche Volkszorn schon hierauf entsprechend reagiert
habe und es in Kurhessen und Magdeburg-Anhalt bereits zu
anti-jüdischen Kundgebungen gekommen sei, in deren Verlauf
jüdische Geschäfte zertrümmert und Synagogen in Brand
gesetzt worden seien. Hitler habe entschieden, dass die Partei solche
Demonstrationen nicht fördern und organisieren wolle, aber auch
nicht einschreiten werde,
wenn sich solche spontan entwickelten.
Dies
war indirekt der Aufruf, einen im Geheimen offenbar bereits längst
vorbereiteten Plan in die Tat umzusetzen. Überall im Reich
stürmten die SA und willige Helfer jüdische Geschäfte
und Synagogen.
In der sogenannten 'Reichskristallnacht' wurden 91 jüdische
Bürger getötet, 29 jüdische Warenhäuser, 171
jüdische Wohnhäuser und 101 Synagogen abgebrannt, 7500
Geschäfte von Juden verwüstet und je nach
Quellenangabe - 26.000 bis 35.000 Juden 'zum Schutz vor dem
Volkszorn' in KZs interniert. Alle, bei den Ausschreitungen an
eigenem und fremdem Besitz entstandene Schäden mussten die
jüdischen Opfer selbst bezahlen, weil sie nach Worten der
Regierung >>die Volksausschreitungen durch ihr Verhalten
provoziert haben<<.
Hierzu mussten sie rund 1 Milliarde Reichsmark aufbringen.
Der deutsche
Innenminister Hermann Göring bot der jüdischen Bevölkerung
an, sich gegen entsprechende Zahlung aus ihren Pflichten gegenüber
dem Deutschen Reich herauszukaufen und eine Ausreiseerlaubnis zu
erhalten.
Die Verfolgung der
Juden nahm eine neue und unvorstellbare Dimension an. Für
jüdische Bürger, die noch über Geld verfügten
oder Hilfe aus dem Ausland fanden, gab es noch eine kurze Frist,
Deutschland zu verlassen. Wer diese Möglichkeit nicht hatte und
das war der überwiegende Teil der jüdischen Bevölkerung
Deutschlands und der deutsch besetzten Länder, wurde in
Konzentrationslager verschleppt, von denen es inklusive der
Außenlager rund 1000 Stück gab..
Zwei Drittel der in
KZs verschleppten jüdischen Bürger wurden umgebracht,
starben an Seuchen oder Entkräftung oder verhungerten.
Die Ausstellung
besteht aus insgesamt 190 originalen Stücken der jüdischen
Verfolgung, die die oben zusammengefassten Ereignisse belegen, die
zum Progrom vom 9. November 1938 führten. Gezeigt werden darüber
hinaus Belege zu Berufsverboten, Einschränkungen zu
Tätigkeitsfeldern und zu Auswanderungen von Juden, sowie Belege
aus Konzentrationslagern. Es handelt sich überwiegend um
persönliche Dokumente, zu denen die zugehörige
Verfolgungsgeschichte dokumentiert ist. Falls Platz vorhanden ist,
können hierzu zusätzlich entsprechende Objekte und
Dokumente aus dem Umfeld der Täter zugefügt werden.
Die
Ausstellung wurde in etwas kleinerer Form bereits 2005 im Museum
Hofheim zur Visualisierung der Forschungsarbeit der
Historikerin Anna Schmidt gezeigt und in feierlichem Rahmen im
Beisein der Hessischen Landesregierung und Vertretern der jüdischen
Gemeinde und des jüdischen Museums Frankfurt präsentiert.
Die Realisierung der Ausstellung dauerte ab Auftragsannahme weniger
als 3 Wochen!
Die Ausstellung ist so konzipiert, dass sie objektseitig und
größenmäßig an die vorhandenen räumlichen
Möglichkeiten angepasst wird, um Raum und Ort mit in die Wirkung
der Ausstellung einzubinden. Die beiden obigen Fotos wurden in der
Ausstellung Hofheim aufgenommen und zeigen zwei von acht
Präsentationen zum Thema Judenverfolgung im 3. Reich. Zusätzlich
waren von mir in dieser Doppelausstellung Dokumente und Objekte,
sowie zwei Groß-Installationen zum Thema Zwangsarbeit im 3.
Reich ausgestellt worden.
Eine Vielzahl von Referenzen, Zeitungsberichten und Meldungen von
Fernsehe- und Radioberichten meiner Ausstellungen sind vorhanden.
Horst Decker