Horst Decker, Kirchbergstraße 37, 63691 Ranstadt, Tel.:06035 1403, Email:H-Decker@profilm.de

75 Jahre Judenprogrom 9. November 1938

Exposé

Am 9. November 2013 jährt sich die sogenannte Kistallnacht, das Judenprogrom von 1938, zum 75. mal. Das hebt diesen Tag der Erinnerung und Mahnung deutlich aus der Reihe der bisherigen Gedenktage heraus. Aber, dieser Tag ist nicht nur Gedenktag, sondern auch Mahnung für Gegenwart und Zukunft. Eine Mahnung, der Toleranz und gegenseitigen Achtung innerhalb unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert einzuräumen.
Die Ausstellung soll daher nicht nur aufzeigen, wie sich in der Vergangenheit die latente Ablehnung einer Bevölkerungsgruppe immer weiter steigerte und schließlich im Völkermord mündete, sondern durch den Verlauf der seinerzeitigen Entwicklung bewusst werden lassen, dass eine solche Gefahr immer besteht, wenn die Gesellschaft einer solchen Entwicklung nicht wachsam entgegensteht und den Anfängen wehrt.
Ausgangspunkt der Ausstellung ist die Zeit der industriellen Revolution zum Ende des 19. Jahrhunderts. Antisemitismus war zu diesem Zeitpunkt nicht ungewöhnlich. Aber in dieser Epoche, in die am 20. April 1889 Adolf Hitler geboren hineingeboren wurde, wurde er Programmpunkt politischer Parteien und Thema pseudowissenschaftlicher Forschungen und Publikationen. Nach seiner Machtübernahme im Januar 1933 betonte Adolf Hitler immer wieder seine Belesenheit und führte als prägende Bücher die Werke des deutschnationalen und antisemitischen Georg Ritter von Schönerer (1842-1921), des antisemitischen Rassenforschers Gunnar Dahlberg (1893 - 1956) und die antisemitische Geschichtsbände 'Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts.' (Erstausgabe 1998) von Huston Stewart Chamberlain (1816 - 1882) an. Letzterer beschrieb auf hunderten von Seiten seines 'Geschichtswerkes' den vorgeblich schlechten Charakter der jüdischen Rasse und erklärte damit viele negative historische Entwicklungen. Gunnar Dahlberg griff die Mendelschen Erbgesetze auf und übertrug sie auf den Menschen und dabei ausdrücklich auf deren Charakter. Georg Ritter von Schönerer befürwortete neben dem Anschluss Österreichs an Deutschland den Ausschluss jüdischer Bürger aus dem öffentlichen Leben und einen Alldeutschen Staat, einen gemeinsamen Staat aller deutschsprachigen 'Arier'.. Insbesondere aus diesen drei antisemitischen Weltanschauungen entwickelte Alfred Rosenberg (1893 - 1946) ein Weltbild, dessen Kern darin bestand, dass die jüdische Rasse von dauerhaft schlechtem Charakter und schädlich für eine Volksgemeinschaft sei. Dass sich dieser Charakter nicht nur innerhalb der jüdischen Rasse ungebrochen weiter vererbe, sondern entsprechend der Erbgesetze auch bei Abkömmlingen aus Mischehen bis wenigstens in die dritte Generation schädlichen Einfluss habe und daher die Teilhabe jüdischer Bürger am gesellschaftlichen und kulturellen Leben beschränkt werden müsse, insbesondere, die Verehelichung mit Bürgern anderer Rassenzugehörigkeit sollte unterbunden werden. 1918 kam es zum Treffen und Gedankenaustausch Hitlers mit Rosenberg. Im September 1919 trat Hitler dem im Januar des Jahres in München gegründeten Ableger der österreichischen 'alldeutschen' DAP bei, die die Ideologie Ritter Georg von Schönerers vertrat und zusätzlich die Rücknahme der Gebietsabtretungen des Versailler Vertrages forderte. In nur wenigen Monaten gelang es Adolf Hitler, der als 56. Mitglied der DAP beigetreten war, innerhalb der Partei die Macht an sich zu reißen. Er nannte sie im Februar 1920 in NSDA um. Unmittelbar darauf trat auch Alfred Rosenberg dieser Partei bei und wurde zum Chefideologen und rassentheoretischen Berater Hitlers. Ende 1920 legte Hitler den Parteinamen endgültig mit NSDAP fest. Ihr Parteiprogramm ist national, antisemitisch und militaristisch. Unabhängig voneinander beschrieben Adolf Hitler und Adolf Rosenberg in ihren Büchern 'Mein Kampf' (Adolf Hitler 1924) und 'Mythus des 20. Jahrhunderts' (Rosenberg 1930), was sie darunter verstanden. Diese beiden Bücher sollten nach Hitlers Machtergreifung zu den wichtigsten Standardwerken der nationalsozialistischen Weltanschauung werden, denn zum Unterschied anderer und früherer antisemitischen Schriftwerke wurde ihr Inhalt nicht nur Parteiprogramm der NSDAP, sondern durch die Machtergreifung Hitlers auch Regierungsprogramm. Unmittelbar nach Regierungsübernahme begann Adolf Hitler die angekündigten Maßnahmen umzusetzen. Auch, wenn tödliche Übergriffe der SA auf Juden strafrechtlich ungeahndet blieben, so war die physische Vernichtung der Juden noch nicht das Ziel der NSDAP. Ziel war es vorerst neben der Einführung einer 'Rassentrennung', jüdische Bürger zu schikanieren, zu entrechten und ihnen ihre Arbeitsplätze zu Gunsten von arbeitslosen 'Ariern' zu entreißen. Durch Aberkennung staatsbürgerlicher Rechte und die Versperrung des Rechtszuganges durch einen unerfüllbaren Anwaltszwang, sollten sie gezwungen werden, das Deutsche Reich zu verlassen, möglichst unter Zurücklassen des überwiegenden Teils ihres erworbenen Vermögens. Obwohl nach wie vor die Weimar Verfassung von 1919 gültig war, die jüdischen Bürgern vergleichbare, allerdings einzuklagende Rechte bot wie das heutige Grundgesetz, blieb die deutsche Jurisprudenz völlig untätig, ja sie bestätigt hochoffiziell, dass das Deutsche Reich unter Adolf Hitler ein >Rechtsstaat ist und bleibt<. Dabei nutzte die Justiz den nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten neu eingeführten Gesetzesbegriff des 'Gesunden Volksempfindens', der wesentlich für die Beurteilung war, ob ein gegen das Strafrecht verstoßendes Handeln überhaupt und, wenn ja, in welchem Maße strafbar war. Da mehr als 90% der Bürger die NSDAP gewählt und somit derem Programm zugestimmt hatte, entsprach somit alles Handeln, das mit den erklärten Zielen Hitlers und der NSDAP in Einklang zu bringen war dem 'Gesunden Volksempfinden' und blieb straffrei. Dem entgegen führten kleinste Auffälligkeiten oder nur deren Behauptung bei jüdischen Bürgern zu härtester Bestrafung, da sich ihr Handeln definitionsgemäß immer gegen die Volksgemeinschaft richtete. Eine Verschärfung erfuhr die Verfolgung der jüdischen Bürger durch den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich am 13. März 1938. Nicht nur, dass die österreichische Regierung unter Dr. Kurt von Schuschnigg ebenfalls stark antisemitisch eingestellt war, sondern Wien war auch ein Zentrum des Lebens europäischer Juden. Deutschland hatte durch die Weigerung Hitlers, die Reparationspflichten aus dem Versailler Vertrag zu erfüllen, durch die Ausschaltung der jüdischen Arbeitskräfte aus dem Berufsleben, durch Straßenbau und militärische Aufrüstung seine offizielle Arbeitslosigkeit erheblich reduziert (die entlassenen Juden wurden ja nicht mitgezählt) und einen tragfähigen Wirtschaftsaufschwung erreicht, der an der Spitze aller europäischen Länder lag. Die Wirtschaftslage in Österreich hingegen hatte sich seit Ende des 1. Weltkriegs mehr und mehr verschlechtert. Das Rechtsvakuum beim Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich bot der österreichischen Bevölkerung nun die Möglichkeit, ihren jahrzehntelang aufgestauten Antisemitismus auszuleben. Die Entrechtung und Verfolgung der jüdischen Bürger erfolgte mit solcher Vehemenz, dass davon ein erheblicher Anschub in Deutschland ausging. Vor allem zeigte sich der Deutschen Reichsregierung erneut, dass die Justiz entgegen Rechtslage nicht eingriff Diese wiederholte Erfahrung bewirkte ein Umdenken in der Reichsregierung. Baute sie zuvor darauf, jüdischen Bürgern mit Schikanen und durch Willkür das Leben in Deutschland unerträglich zu machen, um dadurch ihre Entscheidung zu bewirken, Deutschland zu verlassen, da nur das die Chance bot, wieder eine angemessene Lebensqualität und Sicherheit zu erlangen, so wollte man nun die 'Judenfreiheit' im Deutschen Reich mit allen denkbaren Mitteln erzwingen. Für einen offenen Richtungswechsel fehlte nur noch ein Anlass. Ein solcher bot sich am 7. November 1938 durch das Attentat des in Paris lebenden jüdischen Bürgers Herschel Grynzspan (Herschel Grünspan). Dieser erschoss aus Protest gegen die Misshandlung seiner in Deutschland lebenden Eltern den Sekretär der Deutschen Botschaft von Paris, Ernst vom Rath. Um die politische Dimension dieses Verbrechens zu erhöhen, beförderte Adolf Hitler persönlich den Legationssekretär in Angesicht dessen zu erwartenden Todes um mehrere Stufen zum Gesandtschaftsrat I. Klasse. Das rein privat motivierte Attentat wurde als jüdische Verschwörung und Auftrag der 'Weisen von Zion' beschrieben. Zwei Tage später, am 9. November 1938 fand in München der seit der Machtergreifung Hitlers im Rahmen eines hohen Feiertags eingeführte Vorbeimarsch der SA zu Ehren der beim Novemberputsch (9. November 1923) gefallenen Nationalsozialisten ('Alten Kämpfer') statt. Am Nachmittag dieses Tages erlag Ernst von Rat den Folgen des Attentats. Bereits am Nachmittag erhielten Hitler und Goebbels im Münchner Rathaussaal, in dem Hitler am Abend eine Ansprache halten wollte, die Nachricht vom Tod des 'Gesandtschaftsrats'. In einer inszenierten Situation brachte ein Bote dann allerdings erst gegen 21.00 Uhr dem mit Goebbels zusammensitzenden Adolf Hitler offiziell und 'überraschend' den Bericht, dass Ernst vom Rath verstorben sei. Nach einem Gespräch mit Goebbels verließ Hitler daraufhin die Versammlung, ohne seine vorbereitete Rede zu halten. Man kann davon ausgehen, dass er nach Absprache mit Goebbels entschieden hatte, sich für den Fall, dass die Justiz nicht weiter untätig blieb, offiziell vor den zu erwartenden Folgen ihres Plans abzusichern. Um 22.00 Uhr verkündete Josef Goebbels innerhalb seiner Rede den Tod Ernst von Rats, ging auf das Attentat von Herschel Grynszpan ein und stellte dieses als Beleg des 'typischen jüdischen Charakters' heraus. Er verwies darauf, dass der gesunde deutsche Volkszorn schon hierauf entsprechend reagiert habe und es in Kurhessen und Magdeburg-Anhalt bereits zu anti-jüdischen Kundgebungen gekommen sei, in deren Verlauf jüdische Geschäfte zertrümmert und Synagogen in Brand gesetzt worden seien. Hitler habe entschieden, dass die Partei solche Demonstrationen nicht fördern und organisieren wolle, aber auch nicht einschreiten werde, wenn sich solche spontan entwickelten. Dies war indirekt der Aufruf, einen im Geheimen offenbar bereits längst vorbereiteten Plan in die Tat umzusetzen. Überall im Reich stürmten die SA und willige Helfer jüdische Geschäfte und Synagogen.
In der sogenannten 'Reichskristallnacht' wurden 91 jüdische Bürger getötet, 29 jüdische Warenhäuser, 171 jüdische Wohnhäuser und 101 Synagogen abgebrannt, 7500 Geschäfte von Juden verwüstet und –je nach Quellenangabe - 26.000 bis 35.000 Juden 'zum Schutz vor dem Volkszorn' in KZs interniert. Alle, bei den Ausschreitungen an eigenem und fremdem Besitz entstandene Schäden mussten die jüdischen Opfer selbst bezahlen, weil sie nach Worten der Regierung >>die Volksausschreitungen durch ihr Verhalten provoziert haben<<. Hierzu mussten sie rund 1 Milliarde Reichsmark aufbringen. Der deutsche Innenminister Hermann Göring bot der jüdischen Bevölkerung an, sich gegen entsprechende Zahlung aus ihren Pflichten gegenüber dem Deutschen Reich herauszukaufen und eine Ausreiseerlaubnis zu erhalten. Die Verfolgung der Juden nahm eine neue und unvorstellbare Dimension an. Für jüdische Bürger, die noch über Geld verfügten oder Hilfe aus dem Ausland fanden, gab es noch eine kurze Frist, Deutschland zu verlassen. Wer diese Möglichkeit nicht hatte und das war der überwiegende Teil der jüdischen Bevölkerung Deutschlands und der deutsch besetzten Länder, wurde in Konzentrationslager verschleppt, von denen es inklusive der Außenlager rund 1000 Stück gab.. Zwei Drittel der in KZs verschleppten jüdischen Bürger wurden umgebracht, starben an Seuchen oder Entkräftung oder verhungerten.
Die Ausstellung besteht aus insgesamt 190 originalen Stücken der jüdischen Verfolgung, die die oben zusammengefassten Ereignisse belegen, die zum Progrom vom 9. November 1938 führten. Gezeigt werden darüber hinaus Belege zu Berufsverboten, Einschränkungen zu Tätigkeitsfeldern und zu Auswanderungen von Juden, sowie Belege aus Konzentrationslagern. Es handelt sich überwiegend um persönliche Dokumente, zu denen die zugehörige Verfolgungsgeschichte dokumentiert ist. Falls Platz vorhanden ist, können hierzu zusätzlich entsprechende Objekte und Dokumente aus dem Umfeld der Täter zugefügt werden.

 

Die Ausstellung wurde in etwas kleinerer Form bereits 2005 im Museum Hofheim zur Visualisierung der Forschungsarbeit der Historikerin Anna Schmidt gezeigt und in feierlichem Rahmen im Beisein der Hessischen Landesregierung und Vertretern der jüdischen Gemeinde und des jüdischen Museums Frankfurt präsentiert. Die Realisierung der Ausstellung dauerte ab Auftragsannahme weniger als 3 Wochen!
Die Ausstellung ist so konzipiert, dass sie objektseitig und größenmäßig an die vorhandenen räumlichen Möglichkeiten angepasst wird, um Raum und Ort mit in die Wirkung der Ausstellung einzubinden. Die beiden obigen Fotos wurden in der Ausstellung Hofheim aufgenommen und zeigen zwei von acht Präsentationen zum Thema Judenverfolgung im 3. Reich. Zusätzlich waren von mir in dieser Doppelausstellung Dokumente und Objekte, sowie zwei Groß-Installationen zum Thema Zwangsarbeit im 3. Reich ausgestellt worden.
Eine Vielzahl von Referenzen, Zeitungsberichten und Meldungen von Fernsehe- und Radioberichten meiner Ausstellungen sind vorhanden.



Horst Decker